Sprichwörter wirken heute bei vielen Menschen vielleicht etwas altmodisch: Die ich-bezogene Gesellschaft mit ihrer schnellen, vorwärtsorientierten Kommunikation bedrängt die Reflexion über bestehende Werte, etwa über den Umgang mit Menschen, denen wir täglich begegnen: Wie ist dieser Umgang mit unseren Nächsten, in der Beziehung, in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit? Was tun wir, wenn wir einen Mitmenschen nicht mögen, wenn er uns nervt? Ziehen wir uns zurück, grenzen wir uns ab, schliessen wir ihn aus, äussern wir uns herablassend, greifen wir ihn an, machen ihn lächerlich, verletzen ihn?
Klar, niemand kann verlangen, den anderen zu mögen. Respekt ist aber trotz aller Differenzen geschuldet. Fehlt es daran, „kippt“ die Begegnung und sie verschiebt sich von der Sach- auf die Beziehungsebene: Probleme werden zu Konflikten, und Rechthaben wird wichtiger als das Verständnis dafür, worum es dem anderen tatsächlich geht.
Zu welchem Exzess Konflikte führen können, zeigt besonders „schön“ der Film von Danny DeVito „Der Rosenkrieg“ (1989), praktische Veranschaulichung für das neunstufige „Phasenmodel der Eskalation“ (1980) des österreichischen Konfliktforschers Friedrich Glasl (*1941), das bei der „Verhärtung“ beginnt und bei „Gemeinsam in den Abgrund“ endet.
Zwischen der feinen, noch kaum wahrnehmbareren Spannung in der Beziehung (Verhärtung) bis hin zur gegenseitigen Zerstörung (Gemeinsam in den Abgrund), liegen viele Schattierungen - zum Glück; und in der Regel bleibt genügend Raum und Zeit, eine weitere Eskalation zu verhindern - wenn es die Beteiligten nur immer wollen.
Was aber verhindert eigentlich eine weitere Konflikteskalation? Scham, Abhängigkeit, Angst vor Nachteilen, etwa zu unterliegen, oder ein unüberwindbarer Rest an Respekt, Achtung, Demut, Zuneigung, oder überhaupt die Frage: Muss ich denn unbedingt siegen, den anderen besiegen?
Im (sehenswerten) Film „Madame Mallory und der Duft von Curry“ von Lasse Hallström (Indien/USA, 2014) formuliert der Protagonist auf dem dramaturgischen Höhepunkt den Satz: „Kannst Du den Feind nicht besiegen, umarme ihn“; er hat erkannt, dass ihm eine weitere Konflikteskalation nicht den Sieg über seine Gegnerin verschaffen wird und allen Beteiligten nur Nachteile bringt. Er beschliesst daher, einen anderen Weg zu gehen, jenen der Deeskalation, der Verständigung.
Auch zwischen Siegen und Umarmen liegen viele Schattierungen. Und es wäre wohl zu viel verlangt, das Umarmen gleich zu Beginn zum (alleinigen) Ziel einer Konfliktklärung machen zu wollen. Tun es die Beteiligten am Schluss doch, aus freien Stücken, dann dürfte in ihre Beziehung zurückgekehrt sein, woran es schon länger gefehlt hatte: An Vertrauen und Vertrautheit.
Besiegen schafft keinen Ausgleich, keine gemeinsame Klärung von Konflikten, sondern bloss neuen Unmut, und sogar beim Sieger bezeichnenderweise oft ein Gefühl von Unglücklichsein.
Mediation dagegen ebnet den Weg für die Konfliktklärung: Sie ist ein gesetzlich anerkanntes Verfahren der aussergerichtlichen Konfliktbearbeitung. Ein unparteilicher Dritter (Mediator) unterstützt die Beteiligten darin, ihren Streit einvernehmlich zu lösen. In vertraulichen Verhandlungen entscheiden die Parteien selbst, was sie klären und wie sie in Zukunft miteinander umgehen wollen. Wesentliche Elemente sind: Freiwilligkeit, Vertraulichkeit, Offenheit, Selbstbestimmung, Vermeiden von Verletzungen und Neutralität (des Mediators).
Wer sich auf eine Konfliktklärung - z.B. mittels Mediation - einlässt, gibt der Beziehung eine Chance! Ist die Beziehungsebene geklärt, finden die Beteiligten für die Sachprobleme in der Regel ohne weitere Schwierigkeiten eine Lösung.
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